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Erklärung des Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki

29.12.2019

Gmach MSZ

Das 20. Jahrhundert brachte der Welt unvorstellbares Leiden und den Tod von Hunderten Millionen Menschen, die im Namen schwachsinniger, totalitärer Ideologien ermordet wurden. Die tödlichen Folgen des Nationalsozialismus, Faschismus und Kommunismus bleiben für die Angehörigen unserer Generation unbestritten. Ebenfalls unbestritten bleibt, wer für diese Verbrechen verantwortlich ist, sowie wessen Allianz den Zweiten Weltkrieg, den tödlichsten Konflikt in der Geschichte der Menschheit, ausgelöst hatte.

Je mehr Zeit verstreicht, wissen leider unsere Kinder und Enkelkinder umso weniger über diese tragischen Ereignisse. Deswegen ist es wichtig, dass wir weiterhin laut und deutlich die Wahrheit über den Zweiten Weltkrieg und über dessen Täter und Opfer verkünden und uns jedem Versuch der Geschichtsfälschung widersetzen.
Die Erinnerung an dieses Übel ist für das Land Polen als erstes Opfer des Krieges besonders wichtig. Unser Land hat als erstes die Erfahrung des bewaffneten Angriffs seitens Hitlerdeutschlands und Sowjetrusslands zeitgleich erleiden müssen. Polen war somit auch das erste Land, welches für ein freies Europa kämpfte.

Der Widerstand gegen die Mächte des Bösen soll allerdings nicht eine bloße Erinnerung an Heldentaten der Polen sein, sondern er soll auch etwas viel Wichtigeres bedeuten. Unser Widerstand ist das Erbe des gesamten gegenwärtigen freien und demokratischen Europas, welches gegen zwei totalitäre Systeme gekämpft hat. Heutzutage, als so manche die Erinnerung an diese Ereignisse zwecks eigener politischen Interessen mit Füssen treten, muss sich Polen für die Bewahrung der Wahrheit einsetzen. Nicht im Schutze polnischer Interessen sondern im Namen dessen, was Europa verkörpert.

Der am 23. August 1939 unterzeichnete deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt war kein „Nichtangriffspakt“. Er besiegelte ein politisches und militärisches Bündnis, welches Europa in zwei Interessenssphären entlang drei polnischen Flüssen: Narew, Weichsel und San, teilte. Einen Monat später wurde diese Linie auf den Fluss Bug als Folge des am 28. September abgeschlossen „Deutsch-Sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrags“, verschoben. Der Hitler-Stalin-Pakt war der Auftakt zu unvorstellbaren Verbrechen, die in den darauffolgenden Jahren auf beiden Seiten dieser Linie begangen werden sollten.

Das Bündnis von Hitler und Stalin wurde schnell in die Tat umgesetzt: Am 1. September 1939 hat Hitlerdeutschland Polen aus dem Westen, Süden und Norden und am 17. September die Sowjetunion aus dem Osten angegriffen. 

Am 22. September fand in Brest am Bug eine gemeinsame Militärparade statt: das Hitlerdeutschland und das sowjetische Russland feierten so ihren gemeinsamen Sieg über das bezwungene Polen. Solche Paraden werden nicht von Parteien von Nichtangriffspakten veranstaltet, doch aber von Verbündeten und Freunden.
Das war auch der Fall mit Hitler und Stalin: die beiden waren lange Zeit nicht nur Verbündete, sondern auch Freunde. Diese Freundschaft blühte dermaßen, dass Stalin eine Gruppe von 150 deutschen Kommunisten, die noch vor dem Ausbruch des Krieges aus dem Dritten Reich in die Sowjetunion geflüchtet war, im November 1939 als „Geschenk“ an Hitler übergeben ließ, was für sie einen sicheren Tod bedeutete.

Die Sowjetunion und das Dritte Reich kooperierten während dieser ganzen Zeit sehr eng miteinander. Auf der Konferenz in Brest vom 27. November 1939 erörterten Vertreter der Sicherheitsapparate beider Staaten Methoden und Grundsätze derer Zusammenarbeit bei der Bekämpfung polnischer Unabhängigkeitsorganisationen auf den besetzten Gebieten. Weitere Konferenzen der NKWD- und SS-Beamte über die Zusammenarbeit beider Organisationen fanden in Zakopane und Krakau statt (im März 1940).  Diese waren keine Nicht-Aggressions-Gespräche, sondern Gespräche über die Liquidierung (sprich Ermordung) von Menschen – Staatsbürgern der Republik Polen – sowie über gemeinsame Handlungen der Verbündeten, die auf vollständige Zerstörung Polens abzielten.

Ohne Mitwirkung Stalins an der Teilung Polens und ohne die Rohstoffe, die Stalin an Hitler lieferte, hätte die deutsche Kriegsmaschine Europa nicht erobern können. Die letzten Züge mit Lieferungen fuhren selbst am 21. Juni 1941 aus der UdSSR nach Deutschland durch – ein Tag bevor Hitler-Deutschland seinen bisherigen Verbündeten angegriffen hat. Nur dank Stalin konnte Hitler ungestraft immer neue Länder erobern, die Juden aus dem ganzen Kontinent in Ghettos einsperren und den Holocaust - eins der grausamsten Verbrechen in der Menschheitsgeschichte - vorbereiten lassen. 

Auch Stalin seinerseits führte verbrecherische Handlungen im Osten durch, indem er sich ein Land nach dem anderen unterwarf und eine Struktur von Straflagern aufstellen ließ, die der Russe Alexander Solschenizyn als „Archipel-Gulag“ bezeichnete. In den Gulag-Lagern wurden Millionen Menschen - Gegner der kommunistischen Macht - durch sklavische mörderische Zwangsarbeit vernichtet.

Die Verbrechen des Kommunismus begannen bereits vor dem 2. Weltkrieg: mit dem Hungertod Anfang der 20. Jahre, dem Großen Hunger, in Folge dessen viele Millionen Menschen aus Kasachstan und der Ukraine den Tod gefunden haben, über den Großen Terror, im Rahmen dessen fast 700.000 politische Gegner sowie unschuldige Mitbürger der Sowjetunion, meistens Russen, ermordet wurden (auch der sog. „Polnischen Operation“ des NKWD, bei der hauptsächlich sowjetische Staatsangehörige polnischer Abstammung erschossen wurden). Hingerichtet wurden Männer, Frauen und Kinder. Allein im Rahmen der „Polnischen Operation“ wurden laut NKWD-Angaben über 111 Tausend Menschen erschossen: getötet mit Vorsatz durch die sowjetischen Kommunisten. Pole in der damaligen Sowjetunion zu sein  bedeutete ein Todesurteil oder bestenfalls eine Verbannung für viele Jahre. 

Die Fortsetzung dieser Politik waren die Verbrechen, die nach dem sowjetischen Überfall auf Polen (am 17. September 1939) begangen wurden: wie z.B. die Ermordung von mehr als 22 Tausend polnischen Offizieren und Vertretern der gesellschaftlichen Elite u.a. in Katyn, Charkiw, Twer, Kiew und Minsk, sowie in den Folterkammern und Lagern des NKWD in den entlegensten Winkeln des sowjetischen Imperiums.

Die meisten Opfer des Kommunismus waren aber russische Staatsbürger. Historiker schätzen, dass allein in der Sowjetunion 20 bis 30 Millionen Menschen ermordet wurden. Tod und Arbeitslager erwarteten selbst diejenigen, welche von jedem zivilisierten Staat mit Obhut behandelt werden – auf zurückkehrende Kriegsgefangene. Die UdSSR behandelte diese nicht als Kriegshelden, sondern als Verräter. Dies war die „Dankbarkeit“ Sowjetrusslands gegenüber den gefangenen Soldaten der Roten Armee: Tod, Arbeits- und Konzentrationslager.

Für all diese Verbrechen sind die kommunistischen Machtführer verantwortlich, allen voran Josef Stalin. Die versuche, 80 Jahren nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs diese Person für die politischen Zwecke des heutigen Präsidenten Russlands zu rehabilitieren, müssen bei allen, die zumindest über Grundkenntnisse über die Geschichte des 20. Jahrhunderts verfügen – auf starken Widerstand stoßen. 

Präsident Putin hat über Polen mehrmals gelogen.  Er tat dies immer absichtlich. Dies geschieht meistens dann, wenn die Behörden in Moskau den internationalen Druck aufgrund ihres Handelns zu spüren bekommen. Dabei handelt es sich nicht um Druckausübung auf der historischen, sondern auf der gegenwärtigen geopolitischen Bühne. Russland hat in den vergangenen Wochen mehrere große Niederlagen erleiden müssen: Der Versuch sich Weißrussland total unterzuordnen ist gescheitert, die Europäische Union verlängerte erneut die Sanktionen wegen der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim und die Gespräche im sog. „Normandie-Format“ haben nicht nur keine Aufhebung dieser Sanktionen gebracht, sondern kam es in derselben Zeit zu deren Verschärfung, diesmal seitens der USA. Dadurch wird die Fertigstellung des „Nord-Stream2“-Vorhabens erheblich erschwert. Gleichzeitig wurden russische Sportler für vier Jahre wegen Dopings aus Sportveranstaltungen ausgeschlossen.

Ich bewerte die Worte von Präsident Putin als einen Versuch diese Probleme zu verschleiern. Der russische Anführer ist sich sehr wohl dessen bewusst, dass seine Behauptungen realitätsfremd sind – und dass es in Polen keine Denkmäler für Hitler oder Stalin gibt. Solche Denkmäler errichtete man in unserem Land ausschließlich zu der Zeit, als es von den Aggressoren und Verbrechern – dem Dritten Reich und Sowjetrussland, besetzt war.

Das russische Volk, das größte Opfer Stalins, eines der grausamsten Verbrecher in der Weltgeschichte, hat die Wahrheit verdient. Ich bin fest davon überzeugt, dass die russische Nation ein Volk von freien Menschen ist und damit sie den Stalinismus ablehnt, auch wenn der Apparat von Präsident Putin versucht, diesen zu tünchen.
Es gibt keine Zustimmung dafür, dass Henker mit Opfern, Täter von grausamen Verbrechen mit unschuldigen Menschen und die Angreifer mit angegriffenen Ländern vertauscht werden. In Erinnerung an die Opfer und im Namen einer gemeinsamen Zukunft müssen wir diese Wahrheit schützen.


Mateusz Morawiecki, 
Premierminister der Republik Polen

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